Red' nicht, tu es!

Trommelbremse an IS2000

Hinweis: In diesem Artikel wird die Anfertigung einer Drehmomentabstützung an der IS2000-Scheibenbremsaufnahme gezeigt. In der Online-Zeitschrift „Fahrradzukunft“ ist auch ein Artikel erschienen, in dem die Anfertigung einer Drehmomentaufnahme an Gabeln mit Lowridergewinde zeigt. Die dortige Lösung sollte auch für handwerklich weniger versierte Leute ohne Schwierigkeiten herzustellen sein! Interessierte bitte hier klicken!

Bei meinem Winterrad wollte ich die vordere V-Brake durch eine Trommelbremse ersetzen. Der Sinn erschließt sich spätestens dann, wenn man, wie ich, öfters in tieferem Schnee fährt und schon mal das völlige Versagen einer V-Brake durch verdichtete/vereiste Schneeklumpen erlebt hat. Außerdem ist die Bremswirkung weit von konstant entfernt.

Trommelbremsen haben eine etwas gemächlichere Bremswirkung und leiden unter nachlassender Bremswirkung bei längeren Bergabfahrten. Da ich aber im Winter hauptsächlich in den Donauniederungen fahre (täglich 17km zum Büro und abends zurück), ist das mit den Bergen nicht so das Thema. Darüber hinaus ist eine Trommelbremse gut gegen Schnee geschützt, so dass die Bremswirkung recht konstant bleibt. 

Eine 90er Trommelbremse mit integrierten Nabendynamo gibt es von Sturmey-Archer. Das Teil war schnell geordert.

Nun ist es so, dass eine Trommelbremse ein nicht unerhebliches Drehmoment abstützen muss. Dafür hat sie einen langen festgenieteten Hebel, der mit einer mitgelieferten Schelle aus „Trompetenblech“ an nicht zu dicken ungefederten Gabeln befestigt werden kann. Das Blech passt aber nunmal nicht um eine Federgabel. Nun wäre es ein leichtes, ein eigenes Stückchen Blech zu dengeln, das passend wäre. Aber dieses Blech ist in der gelieferten Ausführung schon alles andere, als vertrauenserweckend, so wollte ich dies nicht noch mit einer unprofessionellen Blechschelle an einer Federgabel toppen.

Federgabeln üblicher Bauart verfügen aber meist über eine Befestigungsmöglichkeit für Scheibenbemsen gem. IS2000. Daraus kann man folgendes ableiten:

  1. Die Gabelkonstruktion ist generell in der Lage, Bremsmomente einer Maximalbremsung aufzunehmen. 
  2. Dieser Punkte ist für eine Krafteinleitung geeignet.

Daraus folgt, das man in so einer Federgabel jederzeit eine Trommelbremse verbauen kann, wenn es gelingt, das Bremsmoment sinnvoll abzustützen.

Benötigtes Material:

Edelstahl-Flachmaterial, hier ungefähr 40mm x 4mm, ca. 150mm lang (kann auch schwarzes Material sein, sollte dann aber hinterher beispielsweise mit langöliger Eisenglimmerfarbe mit Eisenmennige-Grundierung behandelt werden)

Edelstahlschrauben DIN 931 in A4-70 oder A4-80, alternativ Maschinenschrauben DIN 931 in Stahl 8.8

Anleitung:

Zuerst bauen wir das fertige Rad in die Gabel ein. Meins habe ich mit 2,33mm Speichen selbst eingespeicht. Ich wählte eine zweifach gekreuzte Speichung, sie bildete einen guten Kompromiss zwischen Steifheit und Drehmomentübertragung. 

Nun brauchen wir das Flachmaterial. Es wird um 90° abgewinkelt, so dass es einen langen und einen kurzen Schenkel ergibt. Nun drehen wir erst einmal die Drehmomentstütze des Bremsträgers etwas nach hinten (dazu lösen wir selbstverständlich etwas sie Achsmuttern!), um Platz für eine „Anprobe“ des VA-Teils zu erhalten. Dieses halten wir so an die Gabel, dass der kurze abgewinkelte Teil an dem Gabelstandrohr anliegt und gleichzeitig der lange Teil hinter der IS2000 Bremssattelbefestigung anliegt. Dann wird die Lage der Ausnehmung für die Bremsmomentstütze markiert. 

Nun kommt eine elektrische Ständerbohrmaschine (oder Bohrständer mit elektrischer Handbohrmaschine) zum Einsatz und es werden zwei kleine Löcher gebohrt, der Abstand + Durchmesser darf nicht größer sein, als die fertige Ausnehmung (Siehe D in Bild_01) lang werden soll, besser etwas weniger. Danach kommen Schraubstock und Schlüsselfeilen zum Einsatz. Da das VA-Material vergleichsweise hart ist, sollten die Schlüsselfeilen Handwerkerqualität haben und der Feilende über ein gehöriges Maß an Langmut verfügen. Um das Ganze spielfrei hinzukriegen heißt es feilen, probieren, feilen, probieren etc. etc…. (Lieber einmal mehr probieren, als zu groß gefeilt.)

Passt es, wird wieder probiert und die Höhenlage festgelegt. Es ist darauf zu achten, dass der obere Teil (Siehe A in Bild_01) am Standrohr anliegt. Dann wird die Lage des Loches für die obere Befestigungsschraube (Siehe B in Bild_01) gekennzeichnet und mit 6,1mm gebohrt und entgratet. 

Anschließend wieder probieren und Schraube (B) anbringen. Danach Bremse festsetzen und Rad nach vorne drücken, um Last auf die Halterung zu bringen. Gleichzeitig die Lage der unteren Befestigungsschraube (Siehe C in Bild_01) markieren. So sollte alles spielfrei werden. Unteres Loch bohren und entgraten. 

Nun werden die zwei Enden des Teils noch auf die passende Länge gekürzt: Unter der unteren Befestigungsschraube ( C ) sollte noch 5mm Fleisch bleiben, oben sollte so weit gekürzt werden, dass ein paar Millimeter Abstand zu den Speichen eingehalten werden. Die Enden werden noch mittels Feile und Schraubstock abgerundet und entgratet. Diesmal darf man ruhig mit einer großen Schrupp- bzw. Schlichtfeile arbeiten. Das Abrunden mit einem Schleifbock ist nicht so angesagt, erhitzt doch, wenn man nicht aufpasst, das Material lokal zu stark und vorbei ist es mit rostfrei. In so einem Fall müsste man das Material mit Edelstahlbeize behandeln. 

Jetzt kann die Konstruktion verschraubt werden. Ich bevorzuge trotz der etwas geringeren Festigkeit V4A-Schrauben mit selbstsichernden Muttern. Alternativ kann man auch gute Schrauben (Festigkeitsklasse mindestens 8.8) aus schwarzem Stahl nehmen. (Es gibt auch geschmiedete Aluschrauben, die an die Festigkeit von 800 N/mm2 rankommen) 

Der Bowdenzug passt gerade noch zwischen angefertigtem Teil und Aufnahme. Ggf. muss man den Aufnahmenippel, der die Gewindehülse des Bowdenzuges aufnimmt, links etwas abfeilen. Ein Millimeter ist so ohne Stabilitätsverlust noch zu sparen.

Schließlich fertigt man noch aus einer alten Speiche noch eine Führungsöse für den Bowdenzug, damit  der Austrittswinkel des Zuges zur Hülle fixiert ist.

Abschließend noch mal die Ansicht der Rückseite

Hinweis:

Berechnet habe ich diese Konstruktion nicht, allerdings ist sie weitaus stabiler, als die serienmäßigen Schellen, Sturmey-Archer-Teilenummer HSL 702 bzw. HSL 703. 

Fazit:

Da ich weniger auf das Gewicht schaue, habe ich die Konstruktion aus rostfreiem Edelstahl gefertigt, dessen Festigkeit die von Aluminium mehrfach übertrifft. Auch die Empfindlichkeit gegenüber Streusalz ist nahe Null. Und ja, die Bremswirkung einer Trommelbremse entfaltet sich anders, als eine V-Brake oder Scheibe: Die Bremswirkung ist nicht so bissig. Allerdings würde ich mit so einer Bremse auch keine Bergtouren fahren. 

Mittlerweile habe ich die Konstruktion an einem anderen Rad (mein Winterrad hat gewechselt) mit Starrgabel. Praktischerweise hatte auch die Starrgabel eine IS2000 Aufnahme. Das Vorderrad konnte in wenigen Minuten mitsamt angefertigter Drehmomentaufnahme in das „neue“ Fahrrad übernommen werden. 

Info:

VA ist volkstümlich eine frühere Materialbezeichnung von Krupp, der umgangssprachlich für rostfreie (austenitische) kaltverfestigte Stähle verwendet wird. 

V2A entspricht WerkstNr 1.4301 und V4A entspricht WerkstNr 1.4571. Für Edelstahlschrauben sollte V4A-70 (kaltverfestigt) verwendet werden, da es eine Zugfestigkeit von 700N/mm2 aufweist, also etwas weniger, als die 800N/mm2 Zugfestigkeit einer schwarzen Schraube in der Festigkeitsklasse 8.8.

Im übrigen: Die Bezeichnung V4A, bzw. 8.8 ist in der Regel auf dem Schraubenkopf aufgebracht. Verzinkte Baumarktschrauben (und andere) ohne Kennzeichnung sind in der Regel Festigkeitsklasse 4.6, das bedeutet, das sie nur 400 N/mm2 Zugfestigkeit aufweisen, also schlicht die Hälfte. Solche Schrauben würde ich für anspruchsvolle Zwecke schlicht nicht verwenden wollen!

Tips:

Schlüsselfeilen gibt es mit Holz/Kunststoffheft, aber auch in langer Ausführung mit dünnem „Stahlheft“. Obwohl ich die mit Stahlheft bevorzuge, ist für weniger Geübte ein Kunststoffheft leichter zu bedienen. Holzhefte neigen bei ungeübter Handhabung zum Lösen und man kann sich Feilenangel in die Hand rammen! 

Beim Feilen von VA ist viel Geduld und Ausdauer erforderlich!

Man kann natürlich auch ohne Bohrmaschinenständer oder Ständerbohrmaschine nur mit einer elektrischen Handbohrmaschine arbeiten. Allerdings ist es dann sinnvoll, mit kleinem Bohrer vorzubohren, der mindestens den Durchmesser der Querschneide des großen Bohrers aufweist.

Vor dem Bohren die zukünftige Lochmitte kräftig ankörnen, das verhindert ein verlaufen des Bohrers.

Unter dem Radmuttern liegen passende Scheiben und sichern formschlüssig das Rausfallen des Rades, falls sich die Radmuttern lösen sollten! (was mir noch nie passiert ist)

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