Vorwort
Ausruestung
Navigation
Tag01: Schwechat-Bischdorf
Tag02: Bischdorf-Komàrno
Tag03: Komàrno-Esztergom
Tag04: Esztergom-Budapest
Tag05: Budapest (Pausentag)
Tag06: Budapest-Ràckeve
Tag07: Ràckeve-Dunaföldvàr
Tag08: Dunaföldvàr-Kalocsa
Tag09: Kalocsa-Dunafalva
Tag10: Dunafalva-Kupusina
Tag11: Kupusina-Backa Palanka
Tag12: Backa Palanka-Sremski Karlovci
Tag13: Sremski Karlovci-Novi Banovci
Tag14: Novi Banovci-Belgrad
Tag15: Belgrad
Tag16: Heimreise
Fazit
Vorwort
2012 machten wir die Tour von Neustadt an der Donau bis Wien und zurück bis Passau. Danach nahmen wir uns vor, der Donau etappenweise bis zum schwarzen Meer zu folgen.
Im Jahr 2013 war unsere Enkeltochter dabei, mit der wir dann auch noch ins Hochwasser kamen, also keine Fortsetzung möglich.
So sollte es 2014 in einer Woche von Wien bis Budapest gehen. Im Laufe der Vorplanung wurden wir jedoch immer mutiger und schließlich beschlossen wir, gleich bis Belgrad zu fahren und etwas länger Urlaub zu nehmen. Und so geschah es…
Ausrüstung
Mein Fahrrad war ein Eigenbau mit Cross-Rahmen, Rohloff-Schaltung, Chainglider und starrer MTB-Gabel. Die Räder sind selbst eingespeicht, weil ich sie so, wie ich sie gerne habe, gar nicht kaufen kann. Für das Gepäck standen hinten zwei Packtaschen mit einer zusätzlichen Quertasche zur Verfügung, vorne waren kleine Packtaschen links und rechts am Lowrider. Am Lenker war noch eine Lenkertasche und auf dem oberen Rahmenrohr eine kleine Tasche für Geld und Telefon.
Mein Gepäck wog (ohne Wasser) rund 30kg.
Monikas Fahrrad ist ein vorne gefedertes Damenrad mit Waverahmen, 3 x 9 Kettenschaltung und Federgabel, die allerdings meist aus Gründen der Fahrstabilität mit Lockout gefahren wurde. Es waren die Schlafsäcke vorne links bzw. rechts an der Gabel, auf dem Gabelgepäckträger der Miefeutel (Dreckwäsche) und eine Lenkertasche für die Karten und Krimskrams. Hinten waren Zelt, Isomatten, Kelly-Kettle und noch eine Tasche verstaut.
In Summe ergab das rund 20kg (ohne Wasser). Für einen Wave-Rahmen eigentlich (viel) zu viel. Auf Filmaufnahmen von hinten kann man sogar deutlich sehen, wie sich der Rahmen verwindet. Beim nächsten mal bräuchte sie einen Cross-Rahmen mit luftunterstützter Gabel, denn gerade bei den Feldwegpassagen ist das Rad recht spaßbefreit.
Navigation
Die Navigation erfolgte einmal mit den bekannten Bikeline-Führern, die zwar die neueste Auflage aufwiesen, aber leider trotzdem viele Fehler enthalten. Darüber hinaus standen uns ab Budapest die Eurovelo-Karten zur Verfügung, die aktueller waren, allerdings außer Verpflegungs- und Übernachtungsmöglichkeiten keine weitergehenden Informationen aufwiesen.
Zusätzlich hatte ich noch den Garmin Oregon 600t dabei, den ich mit routingfähigen Velomaps ausgestattet hatte. Funktioniert wie ein Autonavi, nur eben auch mit Rad- und Feldwegen. Darüber hinaus kann der Oregon auch GLONAS empfangen, das rus- sische GPS-Pendant. Im GPS+GLONAS-Modus ist die Navigation selbst im dichten Wald oder in Häuserschluchten fast metergenau. Gleichzeitig gab er auch immer die Streckennamen aus, also sah ich sofort, wenn wir die Eurovelo verließen.
Die Kombination von Führer und Karte sagte uns, wohin wir wollen (sollen) und der Navi zeigte mir wirklich jeden Feldweg und jede Hochspannungsleitung an und diente hauptsächlich zur Positionsbestimmung, die bei schattenlosen 20km bis zum nächs- ten Dorf schon manchmal elementar wichtig ist.
Tag 1, Schwechat (A) – Bischdorf (SK) [29.05.2014]
Tagesleistung: 105 km
Zu spät weggekommen, dann Umwege gefahren und zuletzt im Dunkeln auf Zimmersuche… …fing ja gut an!
Morgens um 6:00 Uhr los und mit dem Auto nach Wien Schwechat gefahren. Auf einem Parkplatz in Schwechat-Mannswörth wurden die Räder montiert und mittags ging es los. Da unser Startpunkt auf der rechten Donauseite lag, wollten wir mit der Fähre in Haslau übersetzen. Es war eine schöne und steile Bergabfahrt zur Fähre…
…wenn sie denn dann auch gegangen wäre!
Dummerweise war das Wasser etwas zu hoch, die Fähre nicht in Betrieb, also unter allgemeinem Gefluche alles wieder rauf und auf der rechten Donauseite weiter. Wäre nett gewesen, wenn man oben, bei der Ausschilderung der Fähre eine Info hätte, ob die Fähre fährt oder außer Betrieb ist. Zwischendurch natürlich immer wieder Regen. Also rein in den Regenanzug, raus aus dem Regenanzug…
Via Petronell-Carnuntum und Hainburg bis Bratislava. Um Bratislava befanden wir uns plötzlich mitten im slowakischen Abendtraining, soviel Läufer, Radler und Rollerskater wie wir sahen. Das war ja eine wahre Volksbewegung im wahrsten Sinne des Wortes.
In der Abenddämmerung querten wir die Donau unterhalb eines riesigen Brückensalats (Pristavny most) aus Autobahn, Eisenbahn, Rad- fahrer und Fußgängerbrücke.
Ein netter Radler gab uns einen Tip, wo wir eventuell nach Zimmern suchen könnten. Unsere Suche nach einem Hotel endete in Podunajanské Biskpice (Bischdorf), nicht weit von der dortigen Slovnaft-Raffinerie.
Zum Abendessen gab es Tütensuppe, da keine Lokale oder Läden mehr offen hatten. Die ersten regnerischen 105km lagen hinter uns!
Tag 2, Bischdorf (SK) – Komárno (SK) [30.05.2014]
Tagesleistung: 115 km
Erst erkannte ich nicht, dass es in Slovakien eine Eurovelo 6 für MTBs und eine für Tourenräder gibt, dann der ständig drehende Wind und letztendlich Campingplätze, die es nie gab!
Wunderschöne Landschaften, Sch…wege! Die Eurovelo 6 ist in Slowakien streckenweise in eine Velo- und eine MTB-Version geteilt. Wenn man nun mit 30kg Gepäck + 6 Liter Wasser mit einem Trekkingbike auf spezielle MTB-Wege gerät, ist das vergleichsweise spaßbefreit.
Aber wir waren lernfähig und erkannten nach zwei Griffen ins Klo zuverlässig, was Phase war. Eigentlich einfach, MTB ist rot, Velo ist blau, man muss es eben wissen! Den ganzen Tag über herrschte starker Wind aus wechselnden Richtungen.
Da der auf der Landkarte verzeichnete Campingplatz in Zlatná na Ostrove (Golddorf) nicht existierte (oder wir zu dumm waren, ihn zu finden), denn dort stand eine Schweinemast aus kommunistischer Zeit, fuhren wir weiter nach Komárno.
Dort waren wegen einer Veranstaltung keine Zimmer zu bekommen. So fanden wir erst spät am Abend um 23.00 Quartier in einem Hotel auf der Insel zwischen Komárno (SK) und Komárom (H). Der deutsche Name ist übrigens Komorn.
Meine rechte Hand machte Probleme und ich schrieb meine Tagesnotizen folglich ab da mit der linken Hand in Spiegelschrift (rechtsgeprügelte Linkshänder können so was!).
Regen hatten wir heute kaum noch, das Wetter wurde besser und wärmer. Aber eben öder Damm und viel Wind. Jedenfalls haben wir trotz recht öder Dämme, Gegenwind und immer wieder mal Regen rund 115km zurückgelegt. Dementsprechend waren wir geschafft.
Wir konnten an diesem Tag auch selbst in Augenschein nehmen, wie groß der Eingriff des umstrittenen Kraftwerks Gabcikovo in die Natur wirklich ist.
Die Bilder zeigen den Bereich der slowakisch-ungarischen Grenze, wo der aufgestaute Bereich des Kraftwerkes beginnt und dann in dem voll- kommen bewuchsfreien kanalisierten Bereich endet. Sieht nicht schön aus. Wir sind das ein halbes Jahr vorher mit dem Schiff gefahren. Da fährt man ewige Zeit nur zwischen zwei schrägen Betonwänden, die mit schwarzem Asphalt abgedichtet sind. Breite der Donau bis 700m!
Soweit das Auge reicht, nur schwarzer Asphalt. Andererseits kann man gut erkennen, wie hoch hier die Donau aufgestaut ist. Man mag sich nicht vorstellen, was passiert, wenn dieser Damm aus irgendeinem Grund versagen würde…
Als wir übrigens am Kraftwerk vorbei wollten, war entgegen allen Informationen in den Karten der Kraftwerksbereich gesperrt. Wir lösten das in slawischer Manier durch Nichtbeachtung aller Absperrungen, grüßten auch freundlich lächelnd die Arbeiter und fuhren rotzfrech unbehelligt durch.
Tag 3, Komárno (SK) – Esztergom (HU) [31.05.2014]
Tagesfahrleistung: 80 km
Es wurde heiß, die ersten Probleme mit den Extremitäten traten auf und meine rechte Hand wollte auch nicht mehr so, wie sie sollte. Dazu kamen teilweise hoppelige Radwege und viel Strassenfahrten.
Halbwegs früh losgefahren, ging es rüber über die Donau, also auf die rechte Seite. Es folgten schöne Ortsdurchfahrten, die sich mit Landstrassen abwechselten.
Überwiegend fuhren wir also auf bzw. neben den Strassen auf den Radwegen. Diese wiesen meist alle 2-3 Meter einen Querriss auf, der oft nach oben aufgestülpt war. Beim Fahren geht das bei meiner Starrgabel voll in die Hände und auch der Popometer bewegt sich mit der Zeit in den roten Bereich. Für Monika war das nicht angenehmer, da ihr Rahmen sich verwand und sehr unruhig zu fahren war.
Dazu kamen erste Überlastungsprobleme und diverse Körperteile machten darauf aufmerksam, dass sie existieren, meine rechte Hand war nahezu unbrauchbar. Übernachtet haben wir in Esztergom im Zelt. Unser Zelt ist ein sogenanntes 2-Sekunden-Zelt, ein Pop-up-Zelt, das sich von alleine aufbaut. Gott sei Dank! Wir gingen noch in einem Restaurant in der Nähe des Campingplatzes essen und gut war.
Trotzdem wir auf Grund der ungewohnten Hitze doch recht schlapp waren, hatten wir dennoch rund 80km an diesem Tag geschafft.
Tag 4, Esztergom (HU) – Budapest (HU) [01.06.2014]
Tagesfahrleistung: 50km (+29 km mit dem Schiff)
Ohne Frühstück los, dann dort, wo wir frühstücken wollten, nichts bekommen und letztendlich vollkommen schlapp. Trotzdem wollten wir Budapest erreichen, denn unser Appartement war gebucht!
Karte: © OpenStreetMap contributors (License)
Wir starteten ohne Frühstück, machten nur Kaffee mit der Kelly-Kettle, denn an der Fähre nach Szob (Zopp a. d. Donau) wollten wir während der Wartezeit frühstücken. Dort angekommen scheitert es an der Sprache. Die nette Bedienung versteht weniger wie nichts und wir können außer „köszönöm“ (=Danke) und „nem tudom“ (=ich weiß es nicht) nicht recht viel Ungarisch. Also kein Frühstück, weil die Fähre auch schon bald kommt. Plötzlich spricht mich ein jemand auf Deutsch an und ich komme mit ihm ins Gespräch.
Es war ein Donauschwabe, der einen Mix aus Deutsch und English sprach. Er erzählte von alten Zeiten, Kommunisten und Maria-Theresia (von der hörte ich danach fast täg- lich auf unserer Reise).
Wir also auf der linken Donauseite weiter bis nach Vác (Waitzen).
Dort entschlossen wir uns, die letzten 30km bis nach Budapest mit dem Schiff zu fahren, um dem mörderischen Verkehr in Budapest aus dem Weg zu gehen. Bis dahin hatten wir aber noch jede Menge Zeit, so dass wir uns die Kathedrale von Vác ansahen.
In Budapest dann angekommen, fanden wir den Weg vom Anleger bis zu unserer vorab schon gebuchten Appartementwohnung. Das Einzige, was wir bei der ganzen Reise überhaupt vorher gebucht hatten!
Unser Apartment lag in Király utca im Goszdu-udvar , wo rund um die Uhr „der Bär tanzt“. Die Fahrräder schafften wir hochkant mit dem Lift in das ca. 90qm große Appartement. Da wir dort drei Schlafzimmer hatten, stellten wir die Räder in ein unbenutztes Zimmer.
Geschafft, ein Tag Pause! Noch kurz Essen gegangen und dann ab ins Bett.
Wir hatten an diesem sonnigen Tag nur rund 50km per Rad, aber auch 29km per Schiff zurückgelegt.
Tag 5, Budapest (Pausentag) [02.06.2016]
Statt Kultur gab es Geschichte und Széchenyi- oder Gellertbad ersetzten wir durch „Extreme-Couching“
Da wir erst vor 5 Monaten in Budapest waren, stand uns nach allge- meinen oberflächlichen Sightseeing nicht der Sinn. Wir entschlossen uns also, da wir eh im jüdischen Viertel wohnten, mit einem, doch etwas speziellerem Kapitel der Geschichte der Stadt Budapest zu beschäftigen. So sahen wir uns die Synagoge an, hatten dort eine, weil wir die einzigen deutschsprachigen Besucher waren, sehr persönliche Führung durch eine nette Dame und besuchten danach auch das jüdische Museum. Dort fanden wir dann die tieferen geschichtlichen Informationen und Hintergründe, die beim Besuch 5 Monate vorher schlichtweg gefehlt haben oder weggelassen wurden. Wir hatten uns zwar vorgenommen, eines der Bäder in Budapest zu besuchen, aber irgendwie waren wir doch etwas matt…
…den Nachmittag haben wir dann glatt verpennt.
Unser Apartment war großzügig und ruhig. Die richtige Entscheidung, die Buchung schon vor der Reise fest zu machen.
Tag 6, Budapest (HU) – Ráckeve (HU) [03.06.2014]
Tagesleistung: 55 km
Ein gutes Frühstück in der Goszdu-udvar, dann der Horrorverkehr beim Verlassen von Budapest und zum Schluss war die geplante Nutzung des Zuges wegen hoher Einstiege kaum möglich…
Doch letztendlich erreichten wir die Insel Csepel, ab da wurde es angenehm.
Wir verlassen Budapest nach einem gutem Frühstück. Absoluter Horror, denn der Verkehr ist mörderisch!
Unser Plan, den Zug zu nehmen scheitert erst daran, überhaupt einen Bahnhof zu finden, geschweige denn, den richtigen, dann an den hohen Einstiegen, die wir mit unseren voll beladenen Fahrrädern nicht hoch kommen, ohne das ganze Gepäck abzuladen.
Also haben wir umdisponiert und radelten auf die Insel Csepel, die 48km lang ist und zwischen großer und kleiner Donau liegt. So be- wegten wir uns links der kleinen Donau durch endlos lange Wochenendhaus-Reihen, bis eine Brücke kam, über die wir Csepel erreichen konnten. Danach ging es wieder an Wochenendhäusern vorbei, die kleine Donau links von uns. Wir nutzten auch die kleinen, oftmals leeren Landstrassen.
Auf den vielbefahreneren Landstrassen jedoch galt: Nur nicht zucken, sonst ist man platt! (Ich dachte, das kann man nicht mehr stei- gern, aber in Serbien wurde ich später eines besseren belehrt!).
Wir gelangten zur anderen Inselseite, nun waren wir direkt am Ufer der großen Donau. Wieder ging es durch endlos lange Wochenendhaus-Siedlungen. Und dann leider viel befahrene Landstrasse nach Ráckeve.
Unser Ziel war jedoch der Campingplatz in Ráckeve. Er gehört zu einem Komplex aus Hotel, Campingplatz und angeschlossenem Schwefelthermalbad. Zusätzlich war dort auch ein Spassbad integriert, hauptsächlich bestehend aus Wasserrutschen verschiedenster Art und Höhe, damit sich die Kinder vergnügen können, wenn sich die Eltern in 38° heißem Schwefelwasser „beblubbern“ lassen.
Die Campingplatz Rezeption war verwaist, im Hotel keiner zuständig, aber man sagte man uns, wir könnten uns einfach drauf stellen und morgen bezahlen, denn die zuständige Dame hätte heute ein wenig früher Feierabend gemacht.
Seitdem wir Budapest verlassen hatten, war es vorbei mit Englisch. Keiner konnte hier Englisch, aber es fand sich fast immer irgendjemand, der gut Deutsch sprach.
Wir sind an diesem Tag rund 55km gefahren, wurden jedoch gerade in den „Wochenendhaus-Gebieten“ arg durchgeschüttelt. Die Strassen und Wege dort wirkten recht pflegebefreit.
Tag 7, Ráckeve (HU) – Dunaföldvár (HU) [04.06.2014]
Tagesleistung: 57 km
Abgehauen ohne zu bezahlen, wieder durch endlos lange Siedlungen entlang der Donau gefahren, Richtung Landstrasse abgesetzt und letztendlich in einer Arbeiterunterkunft übernachtet.
Start nach der ausgiebigen Nutzung der Vorzüge eines Thermalschwefelbades für lau, weil auch um 12:00 noch keiner zum bezahlen da war.
Es schien, als käme die Dame, die gestern etwas früher Feierabend gemacht hatte, heute dafür ein wenig später.
So ging es erst am Nachmittag weiter, wieder über Landstrassen, Siedlungen an der kleinen Donau entlang und durch Dörfer, wo sich immer jemand fand, der gut Deutsch sprach. Wir durchquerten auch ländliche Gegenden, in denen Felder teilweise mehrere Kilometer lang und breit sind, sich abwechselnd mit endlosen eintönigen Wiesenlandschaften bis zum Horizont.
Auch sahen wir den ersten Ziehbrunnen. Später sahen wir sie noch öfters, auch in Serbien und meist funktionieren sie auch noch.
Wir nahmen dann teilweise auch die großen Strassen, wie die 51 von Tass bis Apostag, um danach wieder auf kleinere Strassen auszuweichen.
In Apostag stockten wir unser Trinkwasser auf, da wir dort einen geeigneten Brunnen fanden.
An der Kreuzung zur 52, die Verbindungsstrasse zwischen Dunaföldvár und Solt beschließen wir, zur Übernachtung über die Donau nach Dunaföldvár auf den Campingplatz zu fahren.
Diese Strasse, die 52, ist sehr befahren und hat auf der Brücke keinen separaten Radweg. Zumindest wussten wir nicht, ob man den Weg, den wir sahen, auf der anderen Seite auch verlassen kann (da der Weg nicht ausgezeichnet war).
Auf dem Campingplatz angekommen gefiel uns jedoch die Zeltwiese gar nicht und die sanitären Einrichtungen glänzten durch Abwesenheit, bzw. waren nicht auszumachen. Jedoch gab es dort auch Campinghütten mit Bad und WC. Da es mit Zelt 3 Euro pro Nacht gekostet hätte, eine Hütte für uns zwei aber 8 Euro kosten sollte, entschieden wir uns für die ungeheure Mehrausgabe von 5 Euro, um kein Zelt mehr aufbauen zu müssen.
Nun ja, diese Hütten dienten in erster Linie als Arbeiterunterkünfte und waren mit drei Schlafzimmern, einem Kühlschrank und einem Bad ausgestattet. Alles sehr schlicht, aber wenigstens sauber. Der Spiegel im Bad war sogar so schlicht, dass noch schlichter gar nicht vorhanden bedeutet hätte!
Die Betten waren sauber, aber eben nicht so einladend. So zog es Monika vor, mit dem Schlafsack im Bett zu schlafen.
In der Rezeption ist Deutsch kein Problem und als ich noch schnell mit dem Rad einkaufen fuhr, kam ich auch da nicht mit Englisch, sondern mit Deutsch zu den Dingen, die ich begehrte. So konnte ich unsere Getränke aufstocken und auch ein wenig zu essen/naschen mitnehmen. Abends gab es dann noch ein Bier auf der „Veranda“ vor der Hütte.
Wir hatten heute rund 57km geschafft. Nicht viel, aber die Wärme und die Fahrten durch Siedlungen halten unwahrscheinlich auf. So ließen wir den Tag ausklingen, genossen den an- genehmen Abend und unterhielten uns teilweise mit den, am Zaun vorbei spazierenden Leuten (in Deutsch).
Tag 8, Dunaföldvár (HU) – Kalocsa (HU) [05.06.2014]
Tagesleistung: 52 km
Ein Salami & Egg Frühstück aus der Kelly-Kettle, Storchennester auf Strommasten und eine Pizza, die uns nicht bekam, garniert mit viel Hitze und wenig Schatten…
Monikas Geburtstag!
Zum Frühstück Kaffee und Rührei aus der Kelly-Kettle.
Da wir kein Fett hatten, musste die Salami als Bratfett-Lieferant herhalten, was aber beim durchschnittlichen Fettgehalt einer ungarischen Salami kein Problem darstellt! Die Kelly-Kettle bewährte sich erneut, denn mit ein wenig Reisig oder ein paar kleinen Zweigen oder 2 Tannenzapfen kann man damit in wenigen Minuten einen Liter Wasser zum kochen bringen und gleichzeitig obendrauf noch braten.
Um 10:00 ging es los, erst wieder zurück nach Solt. Es ging durch Orte, in denen links und rechts der Strasse vor den Häusern meist Obst-, respektive Kirschbäume standen und die Kirschen waren schon fast reif! Diese kleineren Orte weisen eine idyllische Beschaulichkeit auf, die wohl nur der empfindet, der dort nicht leben darf (…oder doch muss?).
Ländliche Idylle in unsäglicher Hitze
Wir schlichen uns so im Pilgerschrittverfahren (fahren, trinken, fahren, trinken) über Solt und Harta nach Dunapataj, das wir mittags erreichten. Wir hatten richtig Hunger. Also in Dunapataj Pizza gegessen. Ich bestellte eine 40cm Salami-Pizza, Monika die 29cm-Version mit wasweissichdrauf. Nun war das die ungarische Interpretation einer italienischen Pizza: Teig, wie eine italienische Pizza, dann viel fettige ungarische Salami, Scheibendicke rund 1cm, noch mehr Paprika und Tomatenscheiben und alles in einem dicken geschlossenen See aus Käse versenkt. Mann war die gut, wenn auch eigentlich mindestens zwei Nummern zuviel, aber ich musste sie einfach aufessen. Monika kapitulierte nach einer Weile und ließ sich den Rest einpacken.
Beim Essen kamen wir ins Gespräch mit einem Ungarn, der nach Kanada ausgewandert war und nun, in Rente, sich ein Haus in Dunapataj gekauft hat. So verbringt er seinen Lebensabend teilweise in Kanada und Ungarn. Für uns insofern gut, da er Englisch sprach, allerdings auch ein wenig lästig. Irgendwie sind sie alle gesprungen, wenn er was sagte. Vielleicht gehörte ihm sogar der Laden? Jedenfalls hieß das Lokal „Texas-Pizza“. Aber wir haben es überlebt und waren froh, als wir wieder auf dem Rad saßen.
Es ging nun über endlos lange, frisch geteerte Radwege auf dem Damm und der Lorenz haut von oben runter.
Frisch geteerte Dammwege, schattenlos und heiß… bruzzelbruzzelschmurgelundkoch!
Nicht viel später rumort es im Magen und nicht nur bei mir. Die Pizza hat es verdammt eilig, wieder raus zu kommen. Da man schlicht vergessen hat, dass Radfahrer auch Toiletten brauchen könnten (es gibt schlicht keine, weder in der Slowakei, noch in Ungarn und auch nicht in Serbien), war wieder einmal die Nutzung der Natur angesagt. Bei uns beiden! Es liest sich ja jetzt ganz ruhig, aber wir hatten es beide doch eher eilig, ein geeignetes Wäldchen zu finden!
Später sahen wir dann Störche. In fast jedem Dorf sind auf den Strommasten Storchennester. Auch auf den Wiesen kann man Störche beobachten, die sich teilweise sogar bis auf wenige Meter an die dort fahrenden Traktoren nähern.
Die Hitze wurde trotzdem immer unangenehmer und die Stimmung wurde gereizter. Allerdings, hatten wir wenigstens (noch) kein Wasserproblem, da es in jedem ungarischen, auch noch so kleinen Dorf, öffentliche Trinkwasserhydranten gibt, an denen wir unsere Vorräte jederzeit ergänzen konnten.
Irgendwo zwischen „zuwenig Kilometer“ und „ich kann nicht mehr“ kamen wir endlich in Kalocsa, der „Hauptstadt“ der Paprika an. Nach einem kleinen, aber heftigen Meinungsaustausch checkten wir bei Andreas Spiegels „Club Hotel 502“ um ca. 18:00 ein.
Monika verschwand recht schnell im Bett. Ich aß in der, zum Hotel gehörenden Pizzeria noch einen Salat, weil ansonsten nur Pizza angeboten wurde und genau Pizza wollte ich, nachdem ich irgendwo in der Pampa meinen Hintern „auf links gedreht“ hatte, nun heute wirklich nicht mehr, egal wie gut sie gewesen wäre.
Der Wirt, ein Donauschwabe setzte sich noch ein wenig zu mir und erzählte mir in perfektem Deutsch Aktuelles über Kalocsa, Ungarn und auch einiges aus der Geschichte (…und auch von Maria-Theresia).
Später, im Zimmer, legten Monika und ich fest, dass wir ab sofort Mittags eine Siesta halten werden, um der großen Mittagshitze etwas entkommen zu können.
Wegen der unglaublichen Hitze und Dünnpfiff haben wir nur rund 52km geschafft. Das sollte morgen anders werden.
Tag 9, Kalocsa (HU) – Dunafalva (HU) [06.06.2014]
Tagesleistung: 72km
Eine Siesta brachte Leistungsgewinn, in Baja gibt es einen weissen Sandstrand und abneds wurde für uns kurzerhand ein Huhn geschlachtet…
Beim Frühstück in Kalocsa lernten wir 4 Österreicherinnen kennen, die bis zum schwarzen Meer fahren wollen. Zwei davon allerdings mit elektrischer Hilfe, aber gut, die Älteste ging stramm auf die 70 zu! Sie wollten den Weg durch Kroatien nehmen, während wir uns entschlossen hatten, gleich durch Serbien zu fahren. Die Gründe lagen einerseits an der Minengefahr in Kroatien in Verbindung mit durch das Hochwasser weggespülte Minen/Warnschilder, andererseits am kroatischen Höhenprofil, das mit unserer Zuladung eher wenig Sinn machen würde.
Als Folge der Hitze änderten wir auch unsere Strategie: Wir brachen um 7:00 Uhr schon auf, die Morgenkühle noch nutzend.
Unser gesetztes Tagesziel war Baja. Eine Stadt, berühmt wegen seines recht langen weissen Sandstrandes an der Donau. Auf Landstrassen fuhren wir über Batija nach Fajsz.
Von 12:20 bis 14:30 hielten wir im Schatten am Waldrand unten am Dammfuß Siesta! So richtig mit Schlafen und Dösen!
Anschließend ging es gut regeneriert weiter. Es war etwas kühler und das Fahren fiel einem leichter.
Unser Tagesziel Baja erreichten wir dann recht früh und problemlos. Allerdings war es uns da zu geschäftig und wir fühlten uns noch fit, also beschlossen wir, bis zum Campingplatz in Dunafalva (Donaudorf) weiterzufahren. Sollte
der Campingplatz keine Option sein, würde dort auch ein Hotel sein.
So fuhren wir erneut kleine Landstrassen nach Szeremle und von dort aus wieder auf dem Damm nach Dunafalva.
Dort kam uns ein französisches Ehepaar entgegen. Die konnten weder Deutsch, noch Englisch und meine drei Worte Französisch waren im Gespräch auch nicht gerade dienlich. Trotzdem bekamen wir heraus, dass sie furchtbare Probleme mit Mücken hatten. Da wir noch einen Rest Autan hatten und unser Anti-Brumm noch halb voll war, schenkten wir ihnen das Autan. Sie versuchten auch, uns irgendetwas zu sagen, was wir nicht verstanden. Jedenfalls waren sie recht verbrannt von der Sonne und hatten schon 98km gefahren. Die waren fertig. Nunja, man verabschiedete sich, wünschte sich „bon voyage“ und wir fuhren weiter.
In Dunafalva angekommen fanden wir keinen Campingplatz. Auch das schöne Hotel, dass wir vom Damm aus schon sehen konnten, war verrammelt und hatte einen leerem Pool. Nicht gut. War hielten an der Fährstation und überlegten, ob wir irgendwo unser Zelt aufstellen sollten.
Allerdings hätten wir dann keine Toiletten. An der Fährstation kamen wir dann mit aber mit einem Schweizer, der dort seit ein paar Jahren wohnt, ins Gespräch. Der konnte sich sehr wohl erinnern, dass er da mal vor langer Zeit die Ruine eines Campingplatzes, bzw. seiner Gebäude gesehen hat.
Aha! Gut, dann also nicht campen! Er riet uns, im Dorf nach Marika zu fragen. Sie hätte Zimmer oder wüsste, wer Zimmer hat. Dunafalva durchradelten wir der Länge und der Breite nach, fanden auch zwei Mädchen, von denen eine recht brauchbar Deutsch sprach (…mit Englisch war wieder nix!). Nach langen Täterä fanden wir dann eine Pension. Eigentlich hatten wir die von Anfang an gesehen, aber so richtig einladend sah das nicht aus. Wir dachten, es gäbe etwas anderes, was aber nicht zutraf.
Um 20:00 fanden wir dann Quartier. Marika fragte uns, ob wir noch etwas Essen wollten, was wir bejahten. So wurde kurzerhand eines der eigenen Hühner zubereitet und stand um 21:00 als Hühnerragout auf dem Tisch mit selbst gemachtem Rotwein von den eigenen Trauben und Kirschen aus dem eigenen Garten als Nachtisch.
Die Zimmer, naja, die hatten gar keinen Standard, 2 Einzelbetten, ein Stuhl, die Zimmertür ließ sich schließen. Das Bad war seltsamerweise einschließlich Decke gefliest, die Dusche warm. Dass dort keine 5 gleichen Fliesen verbaut waren, störte nicht, waren sie doch ganz kunstvoll arrangiert.
Da der Wein echt stark war, hatten wir, besser gesagt ich, schnell die nötige Bettschwere erreicht.
Unsere neue Strategie hatte sich bewährt, wir hatten immerhin 72km geschafft, eine deutliche Steigerung!
Tag 10, Dunafalva (HU) – Kupusina (SRB) [07.06.2014]
Tagesleistung: 90 km
Siesta im Stadtpark von Bezdan, wieder ein Hotel, das es nicht mehr gibt und eine nette serbische Familie, bei denen wir in der Datscha übernachten durften.
Zum Frühstück gab es bei Marika in Dunafalva Rührei mit allem, was sich so reinwerfen ließ. Als Selbstversorger mit eigenen Hühnern, Enten, 10 Schweinen und jeder Menge Gemüse und Obstanbau natürlich nur Lebensmittel, die sie selbst erzeugt haben. Ein wahre Geschmacksexplosion, nicht zu vergleichen, mit dem blassen Zeug mit bundesdeutschen Einheitsgeschmack, das bei uns in den Supermärkten verkauft wird.
Kurz nach Acht waren wir fertig gepackt. Wir beeilten uns, denn wir wollten noch vor der Siesta über die serbische Grenze kommen.
Aber erst einmal lag noch nicht geteerter Dammweg vor uns, aber der Schweizer gestern sagte uns, er war vor ein paar Tagen ein Stück gefahren und er meinte, es seien ganze Stücke schon neu geteert. Er hatte recht, es kamen noch einige geteerte Abschnitte.
Es ging über die Dörfer, wie Homorúd und Budzag nach Herzegszántó, dem letzten ungarischen Ort vor der Grenze.
In Herzegsántó tranken wir noch einen Kaffee. Dann los zur Grenze…
Erst wollten die ungarischen Grenzer wissen, woher – wohin, danach winkten uns die serbischen Grenzer durch.
Also kurz gesagt, die Ausreiseontrolle der Ungarn war genauer, als die Einreisekontrolle der Serben.
Allerdings zogen die Serben einen großen Mercedes vor uns raus und zerlegten den. Der hatte ein britisches Nummernschild und der Kofferraum war leer. Nicht ein Koffer drin! Ich hatte eher den Verdacht, dass der Wagen nicht ganz legal bis dahin gekommen war, wo er jetzt stand. Diese Idee hatten die serbischen Zöllner offensichtlich auch. Wir also problemlos weitergefahren.
In Serbien kamen wir durch Backi Breg und Kolut bis Bezdan. Dort machten wir im „Stadtpark“ Siesta.
Über kleine Strassen Richtung Sombor.
In Sombor angekommen, war dort gerade ein Motorradtreffen. Ist dann nicht so lustig, wenn man auf der Landstrasse von Motorrädern überholt wird, die mehr als 200km/h auf der Uhr haben. Dass die anwesende Polizei nicht noch Beifall geklatscht hat… (zumindest solange es außerhalb der Ortschaft war).
Wir hatten das Bedürfnis, schleunigst von diesen (eigentlich netten) „Verrückten“ wegzukommen. So sind wir wieder von den größeren Strassen auf die kleine Strasse nach Kupusina ausgewichen und von dort über einen kleinen einspurigen Teerweg ab in die Donauauen.
Dort sollte laut unseren aktuellen Unterlagen irgendwo ein Hotel und ein Restaurant sein. Wenn man allerdings einmal da rein fährt, gibt es viele Kilometer lang keine Möglichkeit mehr, die Auen zu verlassen.
In den Auen in denen Teile davon zum kroatischen Staatsgebiet gehören, gibt es nur diese eine kleine Teerstrasse. Wir haben rein rechtlich mehrmals das Land gewechselt, denn die serbisch-kroatische Grenze verläuft dort, wo die Donau lief, bevor sie durch Maria-Theresia (Kuckuck, da ist sie wieder!) begradigt wurde.
Nun müssen die Serben, deren Wochenendhäuser gerade auf einem kroatischen Fetzen Land (in Serbien!) stehen, ihre Steuer an Kroatien entrichten. Das übernimmt freundlicherweise das serbische Finanzamt. Seltsam, so wenig, wie die sich eigentlich mögen, die Zusammenarbeit, wenn es darum geht, an des Bürgers Geld zu kommen, funktioniert in seltener Eintracht.
Woher ich das alles weiß?
Der Leser ahnt es schon, das Hotel war dieses Jahr sicher noch nicht auf und ob es letztes Jahr auf war, wusste keiner zu sagen. Wir standen also kurz vor der Abenddämmerung vor einem geschlossenen Hotel in den Auen, Ausweichmöglichkeiten nur in Entfernungen von mehr als 20km, als uns eine junge Frau uns auf Englisch anbot, gegen einen geringen Obolus in ihrer Datscha zu nächtigen. Wir willigten ein und haben so in einer zwar etwas betagten, aber blitzsauberen und komplett mit Küche, Bad, Schlafzimmer und Kinderzimmer ausgestatteten Datscha genächtigt. Die Veranda war komplett mit Fliegengitter verkleidet, sonst hätten uns die gefräßigen Mückenviecher in kurzer Zeit aufgefressen. Es gab sogar Leitungswasser, auch in warm, allerdings sollten wir es besser nicht trinken, da es aus dem Brunnen stamme. Wenn die Pumpe einschaltete, wurde das Licht merklich dunkler, da die Stromversorgung vorhanden, aber nur einphasig war, was dazu führte, dass das Wasserkochen eben etwas länger als gewohnt dauerte.
Die Familie hatte ein Stück weiter ein neueres und viel größeres Wochenendhaus gebaut. Bei so einer Gelegenheit war es natürlich interessant, mehr über das Land, deren Menschen, Omas Kochkünste, Türkenkriege und, wen sonst (!?), Maria Theresia zu erfahren. Hier war eindeutig wieder Englisch gefragt und solide Basis der Konversation.
Etwas über 90km hatten wir an diesem Tag geschafft. Wir waren zufrieden. Nicht ganz schlecht!
Tag 11, Kupusina (SRB) – Backa Palanka (SRB) [08.06.2014]
Tagesleistung: 81 km
Kanisterköpfe, beschmierte Strassenschilder, ein Flugzeug auf einem Kinderspielplatz, Helden, die keine sind und bessere Strassenbeläge, als in Ungarn. Serbien, ein Land, das die Vergangenheit verlassen hat, die Zukunft aber noch nicht erreicht hat…
Karte: © OpenStreetMap contributors (License)
Da wir uns noch ein wenig verratscht hatten, kamen wir erst um 10:00 weg.
Es war Sonntag und wir mussten die einzige Strasse, 3m breit und geteert, Richtung Apatin nehmen. Da dieses Gebiet jedoch ein serbisches Jäger- und Anglerparadies ist, herrschte reger Autoverkehr auf der Strasse nach Apatin. Einfach lästig! Apatin selbst ist Sitz der größten und bekanntesten Brauerei Serbiens: Jelen-Pivo (Hirsch-Bier).
Dieser, uns anachronistisch erscheinende Mix aus Vergangenheit und Gegenwart ist dort offensichtlich normal oder zumindest nicht sonderlich außergewöhnlich! Irgendjemand sagte uns, Pferdefuhrwerke verwenden nur noch die Roma und man erkenne sie daran, dass sie keine Schuhe trügen. Also zumindest der auf dem Bild hat ein Pferdefuhrwerk und trägt Turnschuhe.
Wer jetzt fragt, woher er die hat, sollte mal seine Vorurteile ein wenig dämpfen, denn diese Menschen sind in Ungarn, wie auch in Serbien ein normaler Bevölkerungsbestandteil, wenn auch nicht immer gut angesehen. In Apatin tranken wir einen Kaffee, der hier in der Gegend schon nicht mehr italienischer oder österreichischer Kaffeekunst entsprach, sondern eindeutig türkisch beeinflusst war. Es war eher ein Mokka, denn ein Lungo und irgendwas mit Milch drin, wie Capucchino oder Latte Macchiato waren dort unbekannt. Es war ja Sonntag und das Cafe war voll mit „Kanisterköpfen“.
„Kanisterköpfe“ nenne ich eine bestimmte Art Mann, die kurze Haare haben und aufgrund ihrer etwas markanten Kopfform ein leicht „eckigen“ Eindruck machen. Ich bin davon ausgegangen, dass es dort wohl irgendwo eine Kaserne gibt oder sowas. Auf meinen Karten war verständlicherweise nichts drauf, aber später, bei der Weiterfahrt haben wir gleich nach Apatin eine Kaser- ne oder so was ähnliches gesehen. Die Wette hätte ich gewonnen.
Der Weg von Apatin nach Bogojevo würde wieder durch ein Freizeitgebiet in den Auen führen und über 25 Kilometer keine Möglichkeit zu einer Alternativroute bieten. Wir entschieden uns folglich für den Weg durch das Landesinnere, sprich über Svilojevo und Sonta, denn wenn alle fischen und jagen, sind dort die Strassen frei!
Auf der Karte war der Strassenverlauf ersichtlich und ein Teil davon wirkte, wie importiert aus der Mohave-Wüste:
Ein gerades Stück von 8km, dann eine 90°-Kurve und wieder ein kerzengerades Stück von 2km.Svilojevo war ein typisches Reißbrettdorf. So waren dort alle Strassen im rechten Winkel und auch die übliche „Wasserkugel“ (Trinkwasserhochbehälter) war vorhanden.
Sonta wiederum ist eine anerkannt „kroatische Gemeinde“ mit 60% Kroaten in der Bevölkerung, Der Rest sind Serben (20%), ein paar Ungarn und wenige Roma. Trotzdem hat Sonta eine neu erbaute serbisch-orthodoxe Kirche.
Von Apartin nach Bogojevo waren wir fast alleine auf guten Strassen unterwegs. Wir kamen an einer Donaubrücke vorbei, die einen Grenzübergang nach Osijek (Kroatien) bildete.
Bei der Weiterfahrt nahmen wir eine Abkürzung, mit der man rund 20km Strasse auf 10km verkürzen konnte, wenn man 5km davon auf Feldweg zurücklegen würde.
Nun, der Begriff Feldweg ist dehnbar, in diesem Fall verlief der Weg tatsächlich teilweise in einem Maisfeld. Wir hielten an, uns war das alles suspekt. Dann kam ein Mann auf einem alten Fahrrad daher gehoppelt und hielt bei uns an: „Deronje?“ Wir nickten und er bedeutete uns, wir sollen ihm folgen, denn er hätte es eilig, er müsse zu einem Fussballspiel in Deronje.
Wir hatten uns jedoch als Tagesziel Bac ́ gesetzt, weil es dort ein brauchbares Hotel geben sollte. Von Deronje nach Bac war es nicht mehr weit, also los, noch mal ein wenig reintreten und gut ist.
Nunja, selbst wenn es noch offen gewesen wäre, hätte ich dort nicht übernachten wollen. Also weiter Richtung Backa Palanka! Wir waren auch noch fit genug, also, kein Problem!
Auf dem Weg nach Backa Palanka kamen wir durch Tavarisevo. Plötzlich steht dort auf einem Kinderspielplatz ein Flugzeug aus dem zweiten Weltkrieg. Da musste ich natürlich anhalten und das genauer betrachten.
Es war ein Kriegerdenkmal und eine Steintafel, wo etwas in kyrillisch drauf stand. Nach langem Grübeln sah ich nicht weit eine zweite Tafel, wo das gleiche in Englisch drauf stand.
Aha! Ein Held, der nie offiziell als Held bezeichnet wurde, wurde, also in Ermangelung an anderen, im Ort geborenen Größen einfach zum Helden erklärt. Naja, hat ihm trotzdem nichts geholfen, denn er starb trotzdem. Ist meist so bei Helden, dass sie ihren Ruhm nicht mehr so recht nutzen können. In allen Ländern, bei allen Armeen…
Seine Kumpel waren auch nicht weit.
Ein wenig nachdenklich geht’s weiter…
Kurz vor Backa Palanka fanden dann wir Unterkunft in der Suite eines Sporthotels. Wir wollten einfach nicht nochmals riskieren, an einem offenem Hotel vorbei zu fahren um vielleicht hinterher, 10km weiter festzustellen, dass das Hotel, welches wir angepeilt hatten, zu ist, nicht mehr existiert oder mangels Besitzer vor sich hin rottet…
Unsere Fahrräder durften wir diebstahlgeschützt im Chalet des Sporthotels abstellen. Es störte auch offenbar niemanden, dass die Räder auf Perserteppichen standen, denn der Chef höchstselbst hatte uns diesen Platz zugewiesen. Nun, uns sollte es recht sein. Also rauf auf das Zimmer und erstmal geduscht und danach ein wenig in die Bar, noch etwas trinken.
Der Portier war Portier, Buchhalter, Kellner und Koch in einer Person! Er war aber auch sehr geschickt, denn als ich ihm am nächsten Tag bei unserer Abreise 500 Dinar (ca. 5 Euro) Trinkgeld gegeben hatte, erfuhr ich, was ungefähr bei Raumschiff Enterprise mit Warp3 gemeint ist, denn so schnell war der Schein in seiner Tasche verschwunden.
Immerhin haben wir an diesem Tag 81km geschafft, obwohl wir über- Felder gehoppelt sind und lange Pause gemacht hatten.
Belgrad kommt immer näher!
Tag 12, Backa Palanka (SRB) – Sremski Karlovci (SRB) [09.06.2014]
Tagesleistung: 60 km
Slovaken in Serbien, Maria-Theresia schon wieder, serbische Köche, die Bayerisch reden, fehlende Brücken und eine präsidentiale Unterkunft.
Karte: © OpenStreetMap contributors (License)
Es ging um 9:15 los. Schon nach kurzer Zeit trafen wir die vier Österreicherinnen wieder aus Kalocsa. Kroatien endet in Ilok das auf der anderen Seite der Donau bei Backa Palanka liegt, so mussten sie nun in Serbien auf der linken Donauseite weiterfahren. Wir tauschten unsere Erfahrungen aus. Obwohl sie die rund 50km kürzere Variante gewählt hatten, waren sie nicht schneller wie wir, denn die Berge in Kroatien zehrten trotz deren E-Bikes. Man wünschte sich noch gegenseitig gute Reise und dann fuhr jeder seiner Wege.
Da in Serbien Trinkwasser kaum zu beschaffen ist, hatten wir immer rund 8 Liter Mineralwasser oder zuckerfreie andere Getränke dabei und nutzten jedes Dorf, jeden Laden, um Verbrauchtes sofort aufzustocken. Pro Stunde und Person braucht man mindestens 1 Liter, das heißt, nach 4 Stunden Fahrt war nur noch die Wasserreserve in den Trinkflaschen übrig, wenn man nicht rechtzeitig nachkaufte. Bei den Entfernungen kann das übel werden. Bei einer kleinen Rast in Glozan wurden wir von einem „Serben“, der weder Deutsch, noch Englisch konnte, gebeten, doch mit ihm zu fahren und eine kleine Pause zu machen und ein Gläschen zu trinken. Irgendwie kamen wir aus dieser Nummer nicht raus, obwohl wir eigentlich zügig nach Novi Sad wollten. So ließen wir uns darauf ein und folgten ihm. Er fuhr mit seinem Fahrrad voraus, wir hinterher. Ein paar Strassen später standen wir vor einem erstklassigen Restaurant mit Hotel und zugehörigem Angelsee. Irgendwie fand sich dann auf jemand, der ins englische dolmetschte, so dass wenigstens rudimentär zu verstehen war, was der gute Mann so alles erzählte. Vor allem, dass er Slovak sei, kein Donauschwabe, schon gar kein Serbe und überhaupt: „…Slovak, nix Srbski…“
…und irgendwann plötzlich war sie wieder da, die Maria-Theresia!
Oh Mann, wenn die Frau gewusst hätte, für was sie später alles verantwortlich gemacht werden würde, hätte sie vermutlich noch am ersten Tag ihrer Regierungszeit abgedankt! Irgendwann kam einer daher und quatscht uns auf bayerisch an. Na sowas, in der Voijvodina, tiefster Provinz, spricht einer Deutsch. Es war der Koch, hatte 7 Jahre in München gearbeitet. Aber irgendwie wurden wir trotzdem nicht aus der Nummer schlau, zumal ja Konversation nur sehr sehr eingeschränkt möglich war. Wir wollten doch nicht unfreundlich sein, andererseits wollten wir aber auch nicht dort übernachten. Irgendwann schafften wir es dann doch, uns endlich zu verabschieden.
Die letzten Kilometer vor Novi Sad geht es auf gut ausgebauten Damm dahin, nachdem es vorher lediglich ein Feldweg auf dem Damm war. Zwischen Ziegen hindurch nähern wir uns Novi Sad, das man an der schon beginnenden „Strassenbeleuchtung“ erahnen kann.
In Novi Sad gibt es eine neue Uferpromenade mit einer „Fahrradautobahn“, einem Flanierstreifen für Fußgänger und eine „Tartanbahn“ für Läufer.
Auch gibts es „Muckibuden“ unter freiem Himmel, wie ich sie nur aus Venice Beach in Los Angeles kannte.
Es ist auch schon einiges wieder aufgebaut, aber ein paar Brücken fehlen aber nach wie vor, wie auch die Eisenbahnbrücke nur auf ein paar eingerammten Eisenrohren steht. Die Originalbrücken hat 1999 die NATO „demontiert“. Aber auf der anderen Donauseite sind ja auch Vukovar und Osijek fachgerecht „demontiert“ worden!
Egal wie… egal warum… es trifft immer Menschen!
Uns war es aber noch zu früh, um in Novi Sad zu nächtigen, also entschlossen wir uns, noch bis zum geschichtsträchtigen Sremski Karlovci (Karlowitz) zu radeln.
Dort trafen wir wieder die 4 Österreicherinnen, die schon alle Hotels und Übernachtungsmöglichkeiten im Ort eruiert hatten, denn es gab zwei Damen dabei, die auf Einzelzimmer bestanden und diese kosten oftmals das gleiche, als wenn dort zwei Leute im Zimmer schlafen. Sie konnten uns einen kompletten Abriss der Zimmersituation geben. Da das „Hotel President“ für sie nicht in Frage kam, entschieden wir uns für dieses Hotel, da es bei einem Doppelzimmer nur unwesentlich teurer war, als die anderen, aber über einen Spa-Bereich verfügte, der Monika wichtig war. Also nächtigten wir eben 5 Sterne!
In Serbien allerdings kein großes Kunststück, hat doch der Wechselkurs Euro-Dinar eine etwas größere Unwucht zu Gunsten des Euro. Wenn das die Holländer merken, dann ist Serbien überfüllt von Autos mit kleinen hoppelnden Anhängern (kleiner Sch[m]erz am Rande)…
Der Spa-Bereich war bis um 22:00 offen. Es war 21:00. Kurzerhand entschieden wir uns für die Entspannung, gegen das Abendessen, denn wir vermuteten aus Erfahrung, dass nach 22:00 nichts mehr zu bekommen sein wird. Also nutzten wir ausgiebig den Spa-Bereich und sind danach doch noch ausgegangen. Wider Erwarten gab es auch noch etwas zu essen. Wir versuchten es wieder mit Pizza. Diesmal eine „serbische“ Salami-Pizza. Mann war die gut! Sogar Monika griff zu und sie mag normalerweise keine Salami-Pizza. Böse Zungen mögen jetzt behaupten, es lag weniger an der Qualität der Pizza, als an dem Umstand, leicht ausgehungert gewesen zu sein. Um 24:00 verzogen wir uns ins Bett.
Wir hatten nur knapp 60km geschafft, aber die letzten 10 km von Novi Sad nach Sremski Karlovci waren sehr bergig auf sehr stark befahrener Strasse. Man stelle sich vor, eine Strasse, so breit wie die von Neustadt nach Schwaig mit dem Verkehr der B16 zwischen Abensberg und Regensburg, wenn die Autobahn gesperrt ist und irgendwo da mittendrin und bergauf fährt man mit dem Fahrrad.
Das kostet schon Nerven!
Sollten in der Formel 1 jemals alle Fahrer gleichzeitig ausfallen, könnte man sie sofort durch x-beliebige serbische Autofahrer ersetzen, denn diese fahren jeden Tag, als wenn es um die Weltmeisterschaft ginge…
Hähähä…, ein Scherz, ist nicht ganz so schlimm, aber manchmal hat man als Radler wirklich einen deftigen Fluch auf den Lippen.
Tag 13, Sremski Karlovci (SRB) – Novi Banovci (SRB) [10.06.2014]
Tagesleistung: 53 km
Wenn man Karten nicht richtig liest, ein Mückenheer beim Reparieren hilft, man nicht soviel trinken kann, wie man schwitzen möchte und einem ein Amerikaner in der serbischen Provinz begegnet, dann nennt man das Abenteuer!
Karte: © OpenStreetMap contributors (License)
Wir betrachteten uns natürlich die Karten, wie es den weitergeht. Aus den Eurovelokarten, wie auch dem Bikeline-Führern ging hervor, dass es nach Sremski Karlovci über mehrere Kilometer recht bös bergauf geht und das Ganze auf einer massiv befahrenen Strasse, nämlich die einzige, die Richtung Belgrad führt! Um dies zu umgehen, entschlossen wir uns, lieber dem Feldweg, der der Bahnlinie nach Belgrad entlang führt, zu folgen. Der Feldweg geht von Sremski Karlovci nach Cortanovci. Ich dachte mir noch so, dass eine Eisenbahn ja gar nicht soviel Steigung machen kann, also kann das gar nicht so schlimm sein und Verkehr ist dort sicher auch keiner.
…und zu spät los sind wir außerdem: 10:30!
So bogen wir gleich nach Karlovci links ab und es ging auf gut ausgebauter Strasse bergab. Lange bergab! Irgendwann waren wir unten. Dort stand ein Tanklager mit ein paar Gaskugeln und einigen anderen Tanks. Soso, deswegen war also die Strasse so gut ausgebaut, denn dort fuhren Tankzüge zum Be- oder Entladen hin. Ab da begann der Feldweg. Der sah nicht lustig aus, aber wieder hoch wollten wir auch nicht. Also weiter…
Es dauerte nicht lange, dann mutierte der gerade noch annehmbare Feldweg zu einer Schotterpiste übelster Art. Autos konnten dort teilweise sicher nicht mehr fahren. Dass Eisenbahnschienen auch durch Landschaftseinschnitte oder Tunnel geführt werden können, wusste ich zwar, hatte dies jedoch auf der Karte nicht näher vorab geprüft. In solchen Fällen führt der begleitende Feldweg immer über den Berg, während die Bahn hindurch fährt. Lange Rede, kurzer Sinn: Es ging über 10 km auf Schotterpisten bergauf-bergab durch den Wald, die Wegführung musste man teilweise mehr erahnen, als man sie sehen konnte. Jede Pause wurde von der vereinigten serbischen Mückenarmee mit sofortigem und vollumfänglichen Sturzkampf terminiert.
Zu allem Überfluss riss mir wegen eines Fahrfehlers die linke vordere Tasche vom Lowrider. Man glaubt gar nicht, wie schnell die Planung, Vorbereitung und Durchführung einer Notreparatur stattfinden kann, wenn Millionen von Stechmücken der ausgehungertsten Art bei der Arbeit mithelfen! „Und diese Hitze, ich kann gar nicht soviel trinken, wie ich schwitzen möchte…“
Endlich wieder Teerstrasse. Leider auf recht tiefem Niveau, so dass wir nun auch noch ein paar Kilometer bergauf mussten, um wieder die richtige Strasse zu erreichen. Dies erreichten wir an dem Punkt, wo es dann nochmals lange Zeit bergauf ging.
Endlich oben! Von nun an gings bergab! Leider sah man schon, dass es gegenüber schon wieder und noch viel länger wieder bergauf ging, als wir schon hinter uns hatten. Zu allem Überfluss ist an der tiefsten Stelle ein Stoppschild (nicht grundlos), so dass da nichts ist, mit Schwung holen und so weiter…
Aber irgendwann hatten wir das alles hinter uns und es ging dann erstmal mehrere Kilometer bergab bis in die Ebene. Wir bewegten uns über Beska nach Krcedin. Die Strasse war ein Autobahnzubringer, schattenlos und schnurgerade.
Lediglich Obstplantagen mit ca. 2m gro- ßen Obstbäumen befanden sich ab und zu links und rechts der Strasse. In einer solcher Obstplantagen fanden wir etwas Schatten. Dort machten wir dann eine etwas längere Pause.
Als wir weiterfuhren hielten wir in Krcedin an einem Laden, um unsere Getränkevorräte aufzustocken. Vor dem Laden trafen wir auf einen Amerikaner namens Dan, der vom schwarzen Meer bis zum Atlantik fahren will. Also eben noch mal rund 1,5 Stunden verratscht. Wir haben heute noch, Dank den Segnungen der Technik regelmäßig Kontakt.
Danach aber mit voller Leistung Richtung Belgrad…
Auf einer dieser endlos langen Landstrassen kamen links ein paar Häuser und rechts am Strassenrand standen drei Müllcontainer. Ich sah, dass der Abfall eher hinter den Containern, denn in ihnen lag. Monika fuhr vor mir und ich wunderte mich noch, wieso man denn den Dreck, wenn man ihn eh schon bis zum Container getragen hat, dann einfach dahinter wirft. In dem Moment, als ich die Container in einem Abstand von vielleicht 2 Metern passierte, schoss eine kleine, aber recht giftige Fußhupe zwischen den Containern raus… “…raw…raw…raw…raw…“
…und mir hinterher. Als Hundebesitzer habe ich zwar wenig Angst vor Hunden, aber an meinem Schuh wollte ich den dann doch nicht hängen haben. Also den Schuh aus dem Pedal geklickt und bereit gemacht zum Treten! Als der Hund das sah, blieb er sofort stehen und gab die Verfolgung auf. Anscheinend hatte er bereits einschlägige Erfahrungen gemacht.
Im Nachhinein stelle ich mir vielmehr die Frage, ob der Hund schon immer böse war und Radfahrer angriff, oder aber von einem ängstlichen Radfahrer getreten wurde und seitdem keine Radfahrer mehr mag?
20km vor Belgrad, in Novi Banovci war dann Schluss, Dunkelheit ist dort nicht so gut für die Gesundheit von Radfahrern! Wir hatten an unseren Rädern zu der schon guten Beleuchtung zusätzlich blinkende Rücklichter angebracht, damit auch der dümmste Depp unter Gottes Sonne sieht, dass da etwas auf der Strasse ist. Ein großes Unbehagen bleibt trotzdem.
Laut meinen Navigator war in Novi Benovci ein Hotel. Allerdings war die Anfahrt vom Donauufer aus eingezeichnet. Zufällig sind wir oberhalb einer mäßig ausgeschilderten Hoteleinfahrt vorbeigefahren und uns ist aufgefallen, dass es das gesuchte Hotel sein musste. Gott sei Dank haben wir das bemerkt, sonst hätten wir 20 Höhenmeter wieder raufschieben müssen (mit Fahren wäre konditionsmäßig gar nichts mehr drin gewesen), da es auf der Unterseite keine Zufahrt gab. Das Hotel lag hoch über der Donau und bot eine gigantische Aussicht.
So waren es an diesem Tag wegen spätem Aufbruch, miserabler Routenplanung, Reparaturarbeiten und zu langem Gequatsche nur 53km, die wir uns gut schreiben konnten.
Für die unsägliche Hitze trotzdem nicht schlecht und der Blick vom Balkon in Novi Banovci entschädigt auch!
Tag 14, Novi Banovci (SRB) – Belgrad (SRB) [11.06.2014]
Tagesleistung: 28 km
Chaotischer Verkehr, aber doch irgendwie geordnet, Strassenbahnen aller Altersklassen, pulsierendes Leben, ein zerbombtes Gebäude und eine Fahrkarte Richtung Moskau für die Heimfahrt nach Deutschland…
Danach gut gefrühstückt und dann in aller Ruhe weiter Richtung Belgrad. Kann ja nicht mehr weit sein. Nach wenigen Kilometern kommt man auf die Bundesstrasse 100. Der Verkehr auf dieser, einer der wenigen Strassen nach Belgrad vom Westen her, ist mörderisch, aber es gibt keine Alternative. Es kostet doch ganz schön Nerven, wenn die Busse an einem mit einem halben Meter Abstand und gefühlten 80km/h vorbeisausen. Nach einiger Zeit hatten wir raus, wie es geht: Der Verkehr lief immer stoßartig, bedingt durch ein Reihe von Ampeln. So radelten wir ein paar Minuten, bis der nächste Pulk von hinten ankam, dann pausierten wir eine halbe Minute, dann war wieder Ruhe und wir radelten wieder ein Stück.
Nach einer gefühlten Unendlichkeit zweigte der Weg in Zemun nach links von der Hauptstrasse ab. So weit, so gut. Es ging dann bergauf, bergab durch enge Gassen, deren Strassenbelag aus übergroßen Donaukieseln bestand…
Wir hielten an und ich trank noch einen Rest warmen Wassers aus, um die Flasche wegwerfen zu können. Das Trinken warmen Wassers in der falschen Situation führte recht schnell zu einer gewissen Überreaktion meines Verdauungssystems, was in der Endkonsequenz hieß: Ich brauche eine Toilette und das schnell! In einem Park nicht gerade erfreulich. Gott sei Dank kam bald ein Cafe, in dem wir einkehrten. Gerettet!
Bestens gelaunt fuhren wir danach an der Savemündung entlang, an Sandsäcken vorbei, die noch vom Hochwasser wenige Tage zuvor noch dort lagen.
Dort fuhren wir bis zur Save-Brücke, die wir queren mussten, um in die Innenstadt von Belgrad zu kommen.
An dieser Brücke gibt es den einzigen Fahrradlift in Europas!
Danach noch eben ein wenig die Save auf der anderen Seite weiter entlang geradelt, einen Schlenker durch den Busbahnhof und schon waren wir fast am Hauptbahnhof.
Vor dem Hauptbahnhof ist ein großer Platz, an dem sich auf mehrere Hotels und ein Hostel befinden, so win Zimmer war schnell gefunden, wenn auch, für Serbien, vergleichsweise teuer.
Im Vorfeld war überall zu lesen , dass in Serbien Fahrräder nicht mit in den Zug genommen werden dürfen. Folglich kursieren im Internet, wie auch in verschiedenen Führern viele Tips, als da wären Schmiergeld, Verhandeln oder Stückgut-Transport, allerdings nichts genaues. So sind wir sofort, nachdem wir im Hotel eingecheckt und geduscht hatten zum Bahnhof, der gegenüber unseres Hotels lag, um unsere Rückfahrt nach Wien zu klären.
Nun ist es wirklich so, dass es keine Züge von Belgrad nach Österreich oder Deutschland gibt, in denen Fahrräder mitgenommen werden dürfen. Allerdings gibt es täglich einen Zug nach Prag/Moskau, den EC272. Und in dem darf man vermutlich alles außer Ziegen mitnehmen. Dieser Zug fuhr glücklicherweise auch über Bratislava. Da ich schon mal ein Jahr in Wien gelebt hatte, wusste ich, dass zwischen Bratislava und Wien Regionalzüge fahren, in denen Fahrräder erlaubt sind.So buchten wir gleich Platzkarten für die Fahrt von Belgrad nach Bratislava inklusive 2 Platzkarten (jeder Fahrradplatz ist nummeriert!) für unsere Räder, so dass uns ein Tag in Belgrad blieb. Kostete für 2 Personen und 2 Fahrräder umgerechnet 160 Euro.
Abends sind wir noch ein wenig spazieren gegangen und konnten am ehemaligen Hauptquartier der serbischen Armee sehen, was unter chirurgischen Einsatz von Smartbombs bzw. -raketen zu verstehen ist. Unser Hotelportier nannte es nur das „NATO-Bombing“.
Zu guter Letzt hatten wir an diesem Tag nur 28km, allerdings unter extremen Verkehrsbedingungen, geradelt.
Tag 15, Belgrad (SRB) [12.06.2014]
Israel zum Frühstück, Shopping im Untergrund zur Brotzeit, Polizei zum Mittag, als Nachtisch Roma und schließlich Tito zum Kaffee, was vergessen? Ja, öffentliche Toiletten sind rar!
Beim Frühstück im Belgrad City Hotel haben wir ein nettes altes Ehepaar aus Israel kennengelernt, dass uns dringend nahelegte, doch mit dem Fahrrad mal Israel zu durchqueren, denn immerhin sei Israel mit 700km in seiner längsten Ausdehnung rund 200km kürzer, als die Wegstrecke, die wir in den letzten 14 Tagen zurückgelegt hatten. Sollte man vielleicht mal drüber nachdenken. Allerdings würde ich vorerst lieber Großbritannien mit dem Rad entdecken oder den Oregon-Trail nachfahren. Wir erkundigten uns, wann und wo die nächste Sightseeing-Tour ist. Die war aber erst nachmittags und würde am Platz vor dem serbischen Parlament beginnen. Da wir nun noch Zeit hatten, sind wir Bummeln gegangen.
Irgendwann landeten wir in einer unterirdischen Einkaufspassage! Nein, ich meine nicht die Qualität, sondern die Lage der Passage. Monika hat sich durchaus längere Zeit in Anspruch nehmend, in einem Bekleidungsgeschäft mit diversen Dingen ausgestattet. Gott sei Dank hatte die Besitzerin ein Sofa als Dekoration, also habe ich die nahezu fast unwesentliche Wartezeit, als Deko-Objekt verbracht. Ob ich mehr Kunden abgeschreckt, wie angelockt habe, kann ich allerdings nicht beurteilen.
Nachdem wir im Pilgerschrittverfahren, zwei Strassen vor, ein Cafe zu- rück… oder so, den Platz vor dem Parlament erreicht hatten, wollte der Kaffee wieder raus. Da nun irgendein Staatsempfang war, wuselten überall die Polizisten rum. Ich fragte einen der Polizisten, ob er denn wüsste, wo hier eine öffentliche Bedürfnisanstalt wäre. Leider kannte er nicht mehr, wie ich, sprich, es gab kaum mehr, wie nichts. Das, was es gab, war doch einige Strassen weiter. Ich stapfte also los.
Als ich zurück kam, saß Monika mit einer Dame, vermutlich Roma, auf einer Parkbank. Sie ließ sich aus der Hand lesen. Seltsam, wenn eine Frau einer anderen Frau, die selbst anderen aus der Hand lesen kann, aus der Hand liest. Irgendwann waren wir auch diese Frau wieder los. Ihre Verwandtschaft beschäftige sich zwischenzeitlich mit dem Putzen von Fensterscheiben an Autos, die vor der roten Ampel standen. Ich kenne das allerdings so, dass die Autofahrer vorher nicht gefragt werden und hinterher, falls sie nichts bezahlen, einen tiefen Kratzer im Lack haben. Das war hier nicht der Fall, im Gegenteil, die Autofahrer wurden vorher gefragt, ob sie denn die Scheiben sauber machen dürften. So ist das für mich einigermaßen in Ordnung.
Wir machten dann die Sightseeing-Tour mit einem offenen Doppeldecker-Bus im Zickzack durch Belgrad. Per Ohrhörer bekamen wir die Erklärung sinnvollerweise gleich in Deutsch geliefert.
Das war allerdings dann manchmal auch wieder reiner Kommunistensprech alter Schule: „…der große Marschall Josip Bros Tito hat…“ und hieß es dort auch nicht „NATO-Bombing“, sondern „…Anschlag der NATO auf das serbische Volk…“
Ich fand das in gewisser Weise amüsant, zumal ich den Eindruck hatte, dass die real existierende Bevölkerung Serbiens andere Prioritäten besitzt, als diese nette Frauenstimme uns glauben machen will. Vermutlich sind sind Bänder schon älter, denn 2006 wurde Serbien als parlamentarische Republik gegründet.
Trotzdem war es sehr interessant und wieder einmal begegnete mir Maria-Theresia im Übermaß, obwohl die Architektur in Belgrad eben nicht reiner KuK-Stil ist, sondern viel mehr auch türkischen Einfluss unterlag.
Tag 16, Heimfahrt [13.06.2014]
Vollklimatisiert geht es Richtung Bratislava. Die Gespräche mit den Mitreisenden waren interessant bis nervig und der Speisewagen war nur einen Wagon weiter!
Unser Hotel hatte uns zwei Lunchpakete fertig gemacht, denn morgens ging es schon um 6:30 in den Zug. Mit den Fahrrädern etwas umständlich, da es keine tiefen Einstiege gibt, aber dafür immer freundlich helfende Hände. Unser Zugabteil war vollklimatisiert. Schön!
Nun sind die Eisenbahnstrecken in Serbien meist einspurig und darüber hinaus mit Unmengen von Güterzügen frequentiert. Diese fahren in der Regel nicht schneller wie 30-40km/h. Folglich kann ein Personenzug, der dort eingetaktet ist, auch nicht recht viel schneller fahren. Es geht sozusagen mit dem Tempo der schwäb’schen Eisenbahn durch Serbien.
Irgendwann dann standen wir: Lang, länger… noch länger… und irgendwann ging die Parole rum, dass angeblich die Lok Probleme hat und von 40km entfernt ein andere herbeigeschafft werden sollte.
Soso… egal, ich habe Zeit, ich bin im Urlaub, nicht auf der Flucht!
Ein Hamburger, der mit im Abteil saß, hatte allerdings keine Zeit. Er hatte von Deutschland aus einen Zug von Budapest nach Wien gebucht (inclusive Radmitnahme), des Weiteren einen Zug von Wien nach Hamburg (auch inclusive Radmitnahme) und er wusste, dass von Belgrad ein Zug nach Prag/Moskau fährt, den er aber nicht online buchen konnte. Die diversen Abfahrtszeiten waren ihm aber bekannt.
Wie man sich allerdings darauf einlassen kann, in Budapest mit nur 15 Minuten Aufenthalt zu buchen, erschließt sich mir nicht. Pünktlichkeit ist bei der deutschen Bahn Glückssache, um wieviel mehr Glück muss man haben, wenn ein Zug, der durch halb Südosteuropa fährt pünktlich sein soll. Jedenfalls hat er vermutlich seinen Zug verpasst, da der EC272 in Budapest schon ca. 1 Stunde Verspätung hatte. Wäre er bis Bratislava gefahren, hätte er von da ganz locker mit der ÖBB nach Wien kommen und von dort am nächsten Morgen einen Zug nach Hamburg nehmen können. Uns hat er nur noch genervt mit seiner Rumnölerei, dass die Serben nichts auf die Reihe brächten.
Wer sich in Südosteuropa bewegt, der sollte eben doch mit einigem Delay rechnen. Ganz einfach so. Ohne besonderen Grund, rein prophylaktisch!
Wir dagegen hatten kein Problem, der Speisewagen wurde von einer unglaublich netten Frau bewirtschaftet und auch der Koch verstand sein Handwerk. Irgendwann ging es dann weiter über Schienenmaterial, von dem (gefühlt) ein Drittel noch aus KuK-Bestand stammt, ein Drittel von der Wehrmacht vergessen und das letzte Drittel im kommunistischen Standard ergänzt wurde…
…nein ein Scherz, aber viele der Schienen waren verlascht und nicht geschweißt, was zu einen mehr oder weniger unangenehmen ständigen „raddatazong – raddatazong“ im Wagon führt. Je weiter wir nach Westen kamen, um so besser wurden die Schienen und um so schneller fuhr der Zug, bis wir in der Slowakei wieder westlichen Standard erreichten.
Nach Ankunft in Bratislava um 19:00 haben wir gleich Karten nach Wien gelöst, denn der nächste Zug fuhr um 20:43. Unsere Ankunft in Wien-Simmering war um 21:45, dann per Taxi nach Mannswörth, das Auto geholt, Räder verladen und ab nach Hause…
Mit ein paar längeren Pausen waren wir am nächsten Morgen zu Hause in Bayern.
Fazit
In Ungarn investiert die Europäische Union viel Geld, die Ergebnisse erschließen sich mir jedoch nicht immer. Die Serben haben es dagegen sichtlich etwas schwerer. Und die Slowakei? Sie ist sowas von auffällig unauffällig…
Trotzdem, Slovakien, Ungarn, wie auch Serbien haben ihren jeweils ganz eigenen Charme, wunderbare Natur und nette, hilfsbereite Menschen. Anders ausgedrückt, kam es mir so vor, als wenn die Slowaken in Westeuropa angekommen sind, die Ungarn sich im Aufbruch/Umbruch befinden und die Serben hufescharrend auf ihre Chance in der EU warten.
Ansonsten sind mir gerade in Ungarn die vielen Kriegerdenkmäler (14/18) aufgefallen.
Monika dagegen fiel auf, das es viele verfallene, oder zumindest nicht genutzte Kirchen zu geben scheint und dass in Ungarn Kirchen entweder gar keine Uhren haben (Zifferblatt zugeputzt) oder aber die Zeiger fehlen. Und wenn welche dran waren, dann zeigten sie nicht die aktuelle Uhrzeit, waren also vermutlich defekt oder nicht aufgezogen.
Des weiteren fiel uns auf, dass in Ungarn, wie auch in Serbien Hunde vergleichsweise schlecht behandelt werden. Man kümmert sich um seinen eigenen Hund und selbst da sahen wir Leute, die ihren Hund verprügelten, aber die vielen herrenlosen Hunde rühren keinen, Hunde mit verkrüppelten, weil überfahrenen Läufen sahen wir oft. Nicht schön!
Wir hatten zum Ende einen Puffer von mehreren Tagen. Wenn man ihn nicht braucht, kein Problem, wenn man aber irgendwo länger braucht und keinen Puffer hat, dann wird es stressig, wie an dem Kollegen aus Hamburg zu sehen war!
Wir jedenfalls wollen nächstes Jahr, wenn es uns zeitlich reinpasst, mit dem Fahrrad von Belgrad bis zum schwarzen Meer fahren. Allerdings wird meine Starrgabel durch eine luftunterstützte Federgabel ersetzt, bei der man die Zug und Druckstufe regeln kann und das Rad meiner Frau wird durch ein anderes mit stabilen Rahmen, ebenfalls luftunterstützter Federgabel und Shimano 11- Gang-Nabe ausgestattet.
Eingespeicht wird wieder selbst, denn die 2,34mm-Speichen in Verbindung mit Felgen, die für 200kg zugelassen sind haben sich in meinem Hinterrad bewährt.
Und das Gepäckgewicht muss schlichtweg halbiert werden, in dem weniger Zeltausrüstung und Kleidung mitgenommen wird.
Wer wirklich etwas erleben und sehen möchte, der kann durchaus die Eurovelo 6 bis nach Belgrad fahren. Dass man sich auch auf Unbekanntes einlassen muss, versteht sich von selbst. Wer aber alles sauber vorgeplant, kalkuliert und bestellt haben möchte, der sollte eher in Österreich bleiben!
© Rainer M. Wingender