Red' nicht, tu es!

Anhängerkupplung nachrüsten

Grundsätzliches und Technisches

Westfalia (D) mit senkrechtem Ziehkeilmechanismus (D=16,9 kN), Brink (D) mit schrägem Schnappmechanismus (D=16,83 kN), Steinhof (PL) mit waagrechtem Schnappmechanismus (D=16,2 kN), AutoHAK (PL) mit waagrechtem Exzentermechanismus (D=16,13 kN) oder Umbra Rimorchi (I) mit verriegeltem Bajonettmechanismus. Eine feststehende Kupplung kam nicht in Frage.

Nun, ich hatte ja einen Elektrosatz mit Dose eh schon drin, weil ich den für die Beleuchtung von Fahrradträger brauchte. Da wir aus geschäftlichen Gründen öfters mal nach Berlin fahren (müssen) und dort auch Material einkaufen, hatten wir ein Problem:

In einem Tag 600km + 3 verschiedene Lager abklappern + 600km Heimfahrt, das ist uns zu stressig. Wir hätten ja auch einen 540er Peugeot Boxer zur Verfügung, aber dessen Laderaum ist mit Regalen vollgepflastert. Außerdem kann man darin nicht vernünftig schlafen (aus dem „Matratze auf dem Boden-Alter“ bin ich raus).

So, nun, da ein Wohnmobil vorhanden ist, kann man damit auch fahren, was wir auch schon gemacht haben. Allerdings ist dort die räumliche Ladekapazität auch begrenzt und längere Teile sind problematisch, weil dann Toilette etc. nicht mehr nutzbar ist.

So kamen wir auf die Idee, unserem Wohnmobil eine Anhängerkupplung zu verpassen. Also machte ich mich auf die Suche. Dabei stellte ich einige seltsame Dinge fest, die mir zu denken geben. Aber fangen wir mal von vorne an:

Unser Womo ist ein sog. L4 mit 6363mm Länge.

Nun gibt es den Ducato in verschiedenen Längen (L1 bis L5) mit verschiednen Radständen und verschieden langem Überhang hinten. Das stellt so einen Kupplungshersteller vor Probleme.

Bei den kürzeren Versionen muss der Rahmen bis hinten voll tragen, da die Fahrwerkskomponenten bis nach hinten reichen. Dort beträgt der Überhang zwischen 1015 (L1, L2) und 1250 (L3). Dort ist auch die hintere Federaufnahme nicht weit.
Beim L4 ist jedoch der Überhang 1380mm. Das der Rahmen nach der Federaufnahme keine weiteren Fahrwerkskräfte aufnehmen muss, sondern nur den Laderraum tragen muss, ist dort der Rahmen verlängert und, soweit ich gesehen habe, vom Blech her auch dünner ausgeführt.

Westfalia verwendet aber die gleichen Zugelemente bei L1 bis L4 (vermutlich aus Einsparungsgründen). Demzufolge muss bei L4 dort ein Loch gebohrt werden, da es bei L4 nicht vorhanden ist. Da aber der Träger dort nicht mehr die Materialstärke hat und nicht so steif ausgelegt ist, wie weiter vorne oder bei den kürzeren Rahmen, funktioniert das ohne Distanzhülsen, die den Rahmen vor Quetschung schützen eher schlecht wie recht. Also muss man dort für L4 zusätzliche Hülsen ordern.

Bei Brink gilt das gleiche, nur Brink verlangt nicht, dass zusätzliche Hülsen gesetzten werden. Nun frage ich mich, wieso bei Westfalia bei L4 drei Tonnen nur gezogen werden können, wenn dort eine Hülse gesetzt wird, bei Brink aber, bei identischen Befestigungspunkten (auch dort muss gebohrt werden) drei Tonnen ohne diese Verstärkungshülse gezogen werden können.

Bei Steinhof, die auch die gleichen Befestigungspunkte verwendet, müssen wieder Hülsen gesetzt werden, die allerdings mitgeliefert werden.


Bei AutoHAK gehen sie mit den Zugelementen bis vor der Rahmenverlängerung hinaus und sind so im Bereich, wo der Rahmen mehr Stabilität aufweist. Dort sind auch schon vorhandene Bohrungen, es muss nicht gebohrt werden. Kurz gesagt, AutoHAK verwendet zum einen zwei Befestigungspunkte mehr und geht bis in den Grundrahmen nach vorne, wo schon Bohrungen existieren. Dafür ist die Kupplung von AutoHAK auch nur für L4 und L5. Die Kupplungen für L1 bis L3 von AutoHAK haben andere Zugelemente, die denen von Westfalia, Brink und Steinhof ähnlich sind.

Über die italienische Kupplung kann ich gar nicht viel sagen, dort habe ich weder E-Zulassungen, noch Montageanleitungen gefunden.

Lange Rede, kurzer Sinn, reden wir über den Preis (ohne E-Satz und ohne Einbau), Stand Januar 2024:

  • Westfalia -> 550€ bis 800€ (ca. 32kg)
  • Brink -> 450 bis 550€ (ca. 32kg)
  • Steinhof -> 450 bis 550€
  • Umbra Rimorchi -> 200€ (Zulassung unklar)
  • AutoHAK -> 250€ (25,4kg)

Zwischen AutoHAK und den Konkurrenten gibt es noch einen Unterschied:

AutoHAK verwendet 8.8er Schrauben, die beispielsweise bei M12 mit 87 Nm angezogen werden müssen. Westfalia und Brink verlangen „nur 65 Nm, was auf 6.8er Schrauben hindeuten würde. Es gibt mehrere Wege, nach Rom zu gelangen. Während auch alle Konkurrenten links und rechts in jeweils nur einem „Rahmenfenster“ eine Spezialmutter einsetzen, macht dies AutoHAK bei links und rechts jeweils zwei Fenstern. Daher auch der Hinweis, dass die AutoHAK insgesamt zwei Befestigungspunkte mehr hat.

So, ich habe mich nun für die AutoHAK entschieden. Sie ist vom Mechanismus einfach ausgeführt, unauffällig und kann ohne Bohren am Rahmen montiert werden. Und nein, bei abgenommener Kupplung sieht man, wie bei Brink und Steinhof auch, die Kupplungsaufnahme. Nur bei Westfalia wäre die Kupplung komplett unsichtbar, wenn sie abgenommen ist. Allerdings hatte ich schon zwei Autos mit Westfaliakupplungen und weiss, wie Schei55e die einzustecken geht, bis sie richtig sitzt. Offenbar passieren dort auch immer wieder Unfälle, weil die Leute die (Westfalia) Kupplung nicht richtig eingesteckt und gesichert haben.

Hinweis: Gebohrt werden muss allerdings bei jeder Kupplung immer an der Stelle, wo die alte Stoßstange verschraubt ist. Dort ist ein Gewinde im Rahmen vorhanden, das Karossierblech verdeckt dieses allerdings. Dort muss man bohren. Aber eben nicht an tragenden Teilen.

Als ich mein Paket bekam, habe ich natürlich erstmal ausgepackt.

So, nun kann es ans montieren gehen…

So, nun ist sie eingebaut.
Der Einbau ist eigentlich recht simpel, wenn man handwerkliche Ahnung hat.
Fangen wir mal mit den Löchern an:
Die AutoHAK braucht, wie alle Konkurrenten auch, zusätzlich gebohrte Löcher an der Stelle, wo die Originalstoßstange verschraubt ist. Dort gibt es zwei versteckte Gewinde, die hinter einem Blech liegen. Dort muss man das Blech darüber erst aufbohren, um die Gewinde nutzen zu können. Dazu gibt es Maße, wo man das findet. Ich habe es von Hand aufgerissen und erst mit einem kleine Bohrer vorgebohrt, um ggf. korrigieren zu können. Im Nachhinein wäre es einfacher gewesen, aus Pappe eine Schablone zu machen. Sei wie es sei, für mich war es recht problemlos, ich verfüge aber auch über ein ausreichendes Werkzeugkontingent.

Dann wird der hintere Querträger verschraubt und leicht angezogen.

Dann werden die Längsträger eingebaut. Bei dem 636er (L4) werden länger Zugelemente mitgeliefert, die am Karossierielängsrahmen zweimal an den „Fenstern“ verschraubt werden und einmal ziemlich weit vorne an einer vorhandenen Bohrung.
Zuerst die linke Seite mal lose drangehängt. Die Löcher für die Verschraubungen an der Karosserie sind markiert.

Andere Ansicht, schon mit Winkel…

Hier die andere Seite. Für die Reserveradkurbel wurde Platz gelassen.

Andere Ansicht…

Ist alles vormontiert werden die Schrauben mit bis zu 117 Nm angezogen, je nach Klasse (8.8 bzw. 10.9) und Durchmesser (M10 bzw. M12). Ein Drehmomentschlüssel ist Pflicht. Die Qualität der Schrauben ist gut und die Positionen der Löcher perfekt.

Dann kam die Aufnahme für den Kupplungshaken. Die Aufnahme hat 4 Gewinde, mit denen es an den Kupplungsträger verschraubt wird. Diese 4 Gewinde sind nicht besonders brauchbar:
Man hat bei der Produktion erst die Gewinde geschnitten und anschließend die Beschichtung aufgebracht. Also auch in den Gewinden. Es bleibt nichts anderes übrig, als diese 4 Gewinde (M12) nachzuschneiden. Dazu baucht man schon Kraft, also einen guten Gewindeschneider, keinen 3in1, sondern den 3er eines 3er-Sets. Damit geht es recht schnell und problemlos, die 4 Gewinde nachzuschneiden. Mit einem 3in1 geht es kaum und es besteht Gefahr, den Gewindebohrer abzureissen. Schneidöl zu verwenden wäre auch nicht schlecht.

Jedenfalls war das in 10 Minuten erledigt.

Danach ließ sich die Kupplungsaufnahme problemlos verschrauben und mit dem Drehmoment korrekt anziehen. Hier mit eingesteckter Kupplung.

Dann noch Kunststoffstoßstange drauf und feddich. Hier im Bild mit abgebauter Kupplung. Es schaut nichts nach hinten vor und der Böschungswinkel hat nur minimal gelitten.

Vielleicht noch ein Hinweis:
Die ganze Konstruktion ist zwar lackiert, aber erfahrungsgemäß eher mäßig gegen Rost geschützt. So habe ich überall, wo keine Montagestellen waren, schon mit Eisenglimmerfarbe gestrichen. Da die Schrauben nach 1000km Hängerfahrt nochmals mit Drehmoment nachgezogen/kontrolliert werden müssen, kann ich derzeit die Verbindungsstellen nicht streichen, um die Drehmomentwerte nicht zu verfälschen. Wenn alles kontrolliert ist, wird das ganze Konstrukt unten mit Eisenglimmerfarbe gestrichen. Das heisst, irgendwann im Sommer.


Da ich im Sinn habe, einen Gastank im Flaschenkasten einbauen zu lassen (oder selbst?), habe ich das Blech unter den Gaskastenlüftungen nur beiseite gebogen und wieder hingebogen. Wenn dort etwas umgebaut wird, kommt ein eh anderes Blech dran. Abgesehen davon finde ich diese Blechlösung generell popelig.

Nachtrag:

Mittlerweile war die Hängerkupplung in Betrieb:

Da wir in Berlin drei Einbauküchen mit E-Geräten abholen wollten, hatte ich einen Tandem-Planenanhänger gemietet, dessen Ladefläche eine Größe von 4m x 2m x 2m aufweist. Die Hinfahrt von 510km erfolgte leer, die Rückfahrt mit Ladung.

Anhänger + Ladung ca. 2t. (3t dürfe mein Maxi ziehen)

Interessant war einerseits der Durchschnittsverbrauch, der insgesamt (hin und zurück) bei 13,6 L/100km lag. Bei einem Schnitt von knapp 80kmh. Interessant war auch die Momentanverbrauchsanzeige, die an Steigungen durchaus mal auf 30,3 L/100km hochschnellte, bergab dann aber auch oft auf 2 L/100km sankt.

Kurzum, Hängerbetrieb mit einem Hänger, der etwas höher wie das Zugfahrzeug ist, kostet rund 2,5 L/100km Mehrverbrauch.

Die Fahrt war komplett entspannt, keine Pendelneigung, keine Schwächen und trotz den großen hinteren Überhangs keine Einflüsse auf die Lenkung.

Bei nächster Gelegenheit kann ich nun die Schrauben nochmals kontrollieren und den Rest streichen.

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